Johann Sebastian Bach (1685–1750) wurde im Sommer 1723 offiziell zum Leipziger Kantor ernannt. Damit war er u.a. für die Kirchenmusik an den vier Stadtkirchen von Leipzig verantwortlich. Zu seinen Pflichten gehörte auch, sich um die Passionsmusiken am Karfreitag zu sorgen. Für diese komponierte Bach die Johannes-Passion, welche 1724 erstmals in der Leipziger Nikolaikirche erklang. In der Folge arbeitete Bach das Werk für verschiedene Aufführungen um, die letzte Fassung stammt von 1749. Sie entspricht im Wesentlichen wieder der Struktur von 1724, ist jedoch im instrumentalen Bereich deutlich erweitert, einige freie Arien-Texte wurden tiefgreifend überarbeitet.
Bachs Johannes-Passion BWV 245 unterscheidet sich grundlegend von seiner späteren Matthäus-Passion, was sich bereits mit dem Eingangschor manifestiert: Beginnt jene der folgenden Leidensgeschichte entsprechend mit den Worten «Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen», überrascht die Johannes-Passion mit dem aus Psalm 8 stammenden Hymnus «Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm in allen Landen herrlich ist.»
Ganz anders als die Matthäus- schildert die Johannes-Passion Jesus durchwegs als den eigentlichen Herrn des Geschehens. Die Erzählung beginnt mit der Gefangennahme. Bei Matthäus dringen die Soldaten in den Garten ein und nehmen Jesus fest. Bei der Johannes-Passion geht Jesus vor den Garten hinaus, empfängt die Soldaten und fragt: «Wen suchet ihr?» Diese aktive Rolle behält er bei, bis er zum Schluss «es ist vollbracht» sagen kann.